Wenn nichts klingt, wie es aussieht Yatra zaubern höchst verblüffende Klänge mit verblüffenden Instrumenten Yatra nahmen ihre Zuhörer bei der „Klangprobe live” im Kulturbunker mit auf einen Trip: in ein Land, irgendwo zwischen hier, Indien und den Weiten des Weltalls. VON SEBASTIAN ZÜGER Mülheim - Es ließe sich gar furchtbar viel erzählen über Yatra. Doch eigentlich ist aller Hintergrund unbedeutend, wenn die Musik nur ihren Zweck erfüllt: wenn sie berührt, beeindruckt, verführt. Bei dieser Ausgabe der „Klangprobe live” der Konzertreihe, die der „Kölner Stadt-Anzeiger” in unregelmäßiger Regelmäßigkeit gemeinsam mit dem Kulturbunker Mülheim präsentiert – ist das ein bisschen anders. Dazu wirft schon allein der Bühnenufbau viel zu viele Fragen auf. “Wow”, sagt zum Beispiel Fotograf Max Grönert, der die „Klangprobe” seit Anbeginn mit seiner Kamera begleitet, und staunt angesichts der Unzahl unbekannter Instrumente, die die nicht eben mickrige Bühne des Kulturbunkers voll stellen. „Da werden doch heute mindestens 20 Leute beschäftigt sein.” Irrtum sind nur fünf, und nur vier davon stehen tatsächlich auf der Bühne. Inmitten des Publikums sitzt Tino Löwe am elektronischen Equipment: Mischpult, Effektgeräte, Sampler. Alles hochmodern und digital, doch diese eine unendlich nervende Eigenheit, die sich seit jeher schon durch die Evolution der Technik zieht, schlägt auch an diesem Abend wieder zu: Bandchef Peter Kühnel zupft gerade die ersten Töne aus seiner halbakustischen Gitarre, als der Sampler den Dienst einstellt. Sampler können ungeheuer schlaue Instrumente sein, modernen Orgeln gleich: Sie speichern kurze Klangstücke - etwa den Ton eines Klaviers oder den Strich einer Violine - und lassen sich über eine Klaviertastatur anspielen. So können ganze Orchester simuliert werden. Nicht allerdings eine runde Viertelstunde lang an diesem Abend. So lange dauert es, bis Löwe und Kühnel den Sampler überredet haben, doch noch mitzutun. Das Gelingen wird hörbar in einem tiefen, warmen Synthesizerklang. Er fundiert, belegt mit einem weiten Halleffekt den Raum, in den Yatra ihre Klangfragmente werfen wie Steine in ruhiges Wasser. Jetzt endlich wird klar wozu all das Instrumentarium auf der Bühne dient. Norbert Jäger kniet vor einem schmalen mit Wasser gefüllten Behälter, umgeben von einer Schar von Mikrofonen. Er schlägt ein Becken und taucht den Schwingenden Rand ein. Das Ergebnis ist verblüffend: Als habe jemand zeitgleich ein Band mitlaufen lass dass den Klang aufnimmt, absspielt und verlangsamt. Man kennt das von früher, als Kassettenrekorder noch Bänder fraßen. Derweil steht Günter Janocha hinter seinem Schlagzeug und tupft gelegentlich mit wattierten Klöppeln auf rechteckige Metallscheiben, die in zwei Reihen von einem mannshohen Gestell baumeln. Die Geräusche, die dabei entstehen, widersprechen jeglicher Erwartung. Da ist offenbar wieder so eine digitale Wollmilchsau am Werk, ein Sampler also, denn statt blechernem Geschepper erklingen Pauken, Buschtrommeln und verwirrende perkussive Geräusche. Immerhin: Bei Isamil Tarlan glaubt man zu hören, was man sieht: Er spielt meist die Darabuka, eine anatolische Trommelvariante. Dazu improvisiert Peter Kühnel auf Bass und Gitarre - mal schnelle, dem Free Jazz entlehnte, virtuose Läufe, mal langsame, zarte, fast poppige Melodien. Yatra das ist klar, ist ein Experiment, aber immerhin eines, das schon seit 20 Jahren läuft. Damals gründete Kühnel sein offenes Kollektiv rund um Görlitz, im „wilden Osten” also. Denn auch in der DDR gab es eine höchst aktive Szene, die sich vom Psychedelic-Rock von Pink Floyd und Gong oder Krautrockern wie Can, Tangerine Dream oder Amon Düül inspirieren ließen. Bekannteste Vertreter jener Ära im Osten Deutschlands dürfte die Stern-Combo Meißen gewesen sein, zu deren Mitbegründern auch Norbert Jäger zählt. Für den Aufritt von Yatra im Kulturbunker muss man all das nicht wissen. Wer mag und kann, erkennt die Reminiszenzen an die Hippie-Ära, an die indische Folklore und Brachial-Jazzer wie John Zorn auch so. Wem das egal ist, der lässt sich eben fallen in das ambienthafte spiel, das sich bisweilen sprunghaft beschleunigt. Yatra machen es mit ihren meditativen Improvisationen nur Zuhörern einfach, die sich öffnen und darauf einlassen. Alle anderen streiken, wie der Sampler zu Konzertbeginn.