Freigeist mit Glück und Kraft SEBASTIAN ZÜGER, 01.12.05, 07:52h Bild: Grönert Peter K. Kühnel mit seinem Gongplay EXTERNE LINKS www.yatra-music.de Artikel mailen Druckfassung Die große und die kleine Form, die Oper und der Rocksong: in beiden Elementen fühlt sich der Komponist und Musiker Peter K. Kühnel zu Hause. Es war einmal, vor gar nicht allzu langer Zeit, inmitten Kölns ein unbekanntes Land, da lebte ein ungekrönter König. Sein Land erstreckte sich vom Eifelwall bis hinüber an ein paar ungenutzte Flachbauten im Schatten der mächtig aufragenden Gerichts- und Arbeitsamtsgebäude. Hier hätte der König leben können, glücklich und zufrieden bis an sein Ende. Doch eines Tages fiel ihm ein, dass es ihm an Untertanen mangele. Die Kunde war an sein Ohr gedrungen, ein Musiker suche eine Heimstatt für die Anfertigung einer Komposition. „Ich war 1998 aus Dresden nach Köln gekommen, um eine Oper für Markus Lüpertz zu schreiben“, erzählt Peter K. Kühnel, eben jener Musiker. „Ich habe überall herumgefragt, und irgendwann erhielt ich einen Anruf. Ich bin sofort hin und war überrascht: ein völlig ungenutztes Gelände. Nur unter dem Vordach eines ehemaligen Bürogebäudes wohnte ein Penner. Er hatte mich angerufen.“ Der gut meinende Anrufer wurde von der Stadt vertrieben und musste sich ein neues Königreich suchen. Statt seiner zog Kühnel ein und in seinem Gefolge weitere Musiker, Handwerker und kleine Firmen. „Ich war der erste Mieter“, sagt Kühnel und schlürft an seinem Instant-Capucchino aus der Studio-Küche. „Die Stadt wollte mich erst nicht aufs Gelände lassen. Aber nach längeren Verhandlungen hat es dann doch geklappt.“ Bis 2001 schrieb der 55-jährige Multiinstrumentalist (unter anderem Gitarre, Sitar, Flöten aller Art, Asian Gongplay) an seinem Werk „Krematorium“, das er nach Tagebuchaufzeichnungen des Düsseldorfer Kunstprofessors Lüpertz komponierte. Die Oper war nicht sein erstes großes Werk: 1995 etwa war mit rund 60 Mitwirkenden „Nietzsche“, sein - so nennt er es selbst - „theatralisches multimediales Spektakulum“, in Dresden aufgeführt worden. Und derzeit arbeitet er an einer zeitgenössischen Kammeroper mit dem Titel „Briefe an Gott“, das thematisch das Phänomen Massenselbstmord zu ergründen sucht. Das klingt morbide, ist es womöglich auch, aber Kühnel macht überhaupt nicht den Eindruck, als sei er sich und des Lebens überdrüssig. Warum auch? Er hat geschafft, wovon viele Musiker nur träumen: Er lebt von seiner Kunst, und das schon seit ein paar Jahrzehnten. Dabei begann seine Laufbahn unter erschwerten Bedingungen - zwangsläufig: in der DDR. „Ich komme aus der dortigen Jazz-Szene, habe Komposition und Gitarre studiert und später - noch zu DDR-Zeiten - in Bombay Sitar.“ Wie das möglich war? Kühnel erklärt es so: „Die wollten mich eigentlich loswerden. Deshalb hatte ich 1988 plötzlich einen Pass für alle Zonen in der Hand.“ Den nutzte er aus, kehrte aber - entgegen der Erwartungen der Machthaber - immer wieder zurück in seine einzig real existierende Heimat. „Westflucht war nie ein Thema für mich. Ich wollte nur künstlerisch arbeiten können ohne Einschränkung. Und das konnte ich ziemlich gut.“ Nach schlechten Erfahrungen mit dem Text-Lektorat, das sämtliche zu Veröffentlichung anstehenden Songtexte der heimischen Rockbands auf Staatstreue hin überprüfte, gründete Kühnel 1984 Yatra - und verzichtete fortan auf Texte. Das Bandkollektiv aus freien und festen Mitmusikern wie Ismail Tarlan (Dharabuka) und Mitbegründer komponiert und improvisiert im weitläufigen Kosmos der Weltmusik („Multivisionsmusik“ nennt es Kühnel) und existiert bis heute, relativ unabhängig von Zeit und Raum. „Yatra ist überall“, sagt Kühnel und meint das gar nicht so esoterisch, wie sich das anhören mag: „Yatra heißt übersetzt »Treffen an einem Ort«.“ Ganz einfach. Großprojekte wie „Krematorium“, Shakespeare-Vertonungen und „Nietzsche“ sind Kühnel wichtig, aber die „kleine Form“ will er darüber nicht vergessen: „Konzerte geben, Platten aufnehmen.“ Und vor allem: sich Zeit lassen bei der Vision, Natur und Technik in der Musik zu vereinen. „Wenn man was entwickeln will, braucht man Geduld“, sagt Kühnel. „Manchmal muss man seine Kraft auf einen Punkt konzentrieren, wenn was entstehen soll.“ Und manchmal braucht man einfach Glück. Zum Beispiel einen Anruf zur richtigen Zeit. Musiker, die vorgestellt werden möchten, wenden sich an den „Kölner Stadt-Anzeiger“, Telefonnummer: 224-2323 /2297, E-mail: KSTA-Stadtteile@mds.de, Anschrift: Amsterdamer Straße 192, 50735 Köln. Bewerber sollten aktuelle Musikproben zusenden - auf CD oder als Sounddatei - mit einer E-mail. Musikbeispiele der Bands, die in der Reihe präsentiert werden, sind im Internet zu hören. www.ksta.de/klangprobe www.yatra-music.de (KStA)